Hochverarbeitet – aber wirklich gefährlich? Eine Frage der Definition
Der Begriff „hochverarbeitete Lebensmittel“ ist längst zum Reizwort geworden. Ultra-Processed Foods (UPF) gelten in vielen Medien als Hauptschuldige für Übergewicht und Zivilisationskrankheiten. Doch die wissenschaftliche Debatte zeigt: Ganz so einfach ist es nicht. Auch Produkte wie Vollkornbrot oder pflanzliche Ersatzprodukte können nach gängigen Kriterien als „hochverarbeitet“ gelten – obwohl sie ernährungsphysiologisch durchaus empfehlenswert sind. Das Problem liegt weniger in der Verarbeitung selbst, sondern in der Klassifizierung, die häufig pauschalisiert statt differenziert. Der Infoservice des Wissensforum Backwaren e.V informiert:

Die Grundlage vieler Studien, das sogenannte NOVA-System, teilt Lebensmittel nach ihrem Verarbeitungsgrad in vier Gruppen ein – von unverarbeitet bis hochverarbeitet. Doch diese Einteilung ist unscharf und wissenschaftlich umstritten. So wird ein unverpacktes Brot vom Bäcker als „verarbeitet“, ein identisches verpacktes Brot aus dem Supermarkt jedoch als „hochverarbeitet“ eingestuft. Auch Produkte wie Säuglingsnahrung oder Tofu fallen in die gleiche Kategorie wie Softdrinks oder Chips – eine Gleichsetzung, die viele Fachleute ablehnen.
Zudem ist fraglich, ob die negativen gesundheitlichen Effekte, die in Studien mit hochverarbeiteten Lebensmitteln in Verbindung gebracht werden, tatsächlich am Verarbeitungsgrad liegen – oder vielmehr an der Nährstoffzusammensetzung. Eine genauere Betrachtung zeigt: Während Süßgetränke und Wurstwaren mit erhöhten Risiken assoziiert sind, können andere Produkte wie Frühstückscerealien oder pflanzliche Alternativen positive Effekte aufweisen.
Die Debatte zeigt, wie wichtig Differenzierung ist. Eine pauschale Warnung vor „hochverarbeiteten Lebensmitteln“ greift zu kurz. Entscheidend bleibt die Qualität der Zutaten, das Ernährungsverhalten insgesamt – und die individuelle Balance zwischen Genuss, Nährwert und Alltagstauglichkeit.
Quellen dazu:
Daniel, H., Henle, T.: Ein Plädoyer gegen die Verwendung der Begrifflichkeit „hochverarbeitete Lebensmittel“ und der NOVA-Klassifizierung in den Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (https://datashare.tu-dresden.de/s/dowSAeSZStoANY6?dir=/&editing=false&openfile=true)
Cordova, Reynalda et al.: Consumption of ultra-processed foods and risk of multimorbidity of cancer and cardiometabolic diseases: a multinational cohort study. The Lancet Regional Health – Europe, Volume 35, 100771 (https://www.thelancet.com/journals/lanepe/article/PIIS2666-7762(23)00190-4/fulltext)
Taneri et al.: Association Between Ultra-Processed Food Intake and All-Cause Mortality: A Systematic Review and Meta-Analysis. Am J Epidem 191(7):1323–1335 (https://academic.oup.com/aje/article/191/7/1323/6539986)
Fragen und Antworten zu (hoch)verarbeiteten Lebensmitteln (https://www.lebensmittelverband.de/de/lebensmittel/verarbeitung/fragen-und-antworten-zu-hochverarbeiteten-lebensmitteln)
Warum hochverarbeitet nicht gleich ungesund ist (https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kontext/hochverarbeitete-lebensmittel-upf-100.html)
Hochverarbeitete Lebensmittel (UPF) – schaden sie unserer Gesundheit oder nicht? (https://www.ernaehrungsradar.de/hochverarbeitete-lebensmittel-upf-schaden-sie-unserer-gesundheit-oder-nicht/)
