Überzuckerte Kindergetränke
Eine umfassende Marktstudie der Verbraucherorganisation foodwatch hat 136 Getränke untersucht. Davon enthielten 117 Produkte mehr als fünf Gramm Zucker pro einhundert Milliliter. Im Schnitt sind es 7,8 Prozent Zucker – das wären dann mehr als sechseinhalb Zuckerwürfel in einem 250 ml Glas. Foodwatch fordert nun von der Regierung eine Regelung nach dem Vorbild Großbritanniens einzuführen. Dort wurde eine Zuckersteuer eingeführt und der Zuckerkonsum der Kinder sank tatsächlich.
Zum Schutz der Kindergesundheit brauche es außerdem effektive Werbeschranken für ungesunde Produkte und eine gesetzliche Altersgrenze für den Verkauf von Energy-Drinks.
„Der Konsum zuckerhaltiger Getränke im Kindes- und Jugendalter ist ein wesentlicher Risikofaktor für Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen. Wirksame Maßnahmen zur Reduktion des Süßgetränke-Konsums sind deshalb dringend notwendig”, sagte Prof. Dr. med. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel und Ernährung an der Kinderklinik der Universität München.
Für die Marktstudie hat foodwatch in den fünf größten Supermärkten (Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland) sämtliche Getränke eingekauft, deren Verpackung Kinder und Jugendliche ansprechen soll, beispielsweise durch den Aufdruck von Tieren und Comicfiguren oder durch eine besonders „coole“ Produktgestaltung wie etwa bei Eistees oder Energydrinks. Getränke, die in einer fast ausschließlich von Kindern getrunkenen Darreichungsform verkauft werden, wurden ebenfalls einbezogen (Trinkpäckchen oder kleine Flaschen mit Saugverschluss). Zu den untersuchten Produkten gehören etwa Limonaden, Fruchtsäfte, Energydrinks, Mineralwasser und Eistees. Milchbasierte Getränke wurden nicht berücksichtigt.
„Unsere Marktstudie zeigt: Ausgerechnet Getränke für Kinder und Jugendliche sind maßlos überzuckert. Es ist perfide und verantwortungslos, wie die Getränkeindustrie Kinder mit Zuckerbomben ködert und damit deren Gesundheit aus Spiel setzt”, sagte Luise Molling von foodwatch.
Einige Ergebnisse der foodwatch-Marktstudie im Überblick:
- Mehr als jedes zweite Kindergetränk (57 Prozent) ist mit einem Zuckergehalt von über acht Gramm je 100 Milliliter stark überzuckert.
- Das zuckrigste Getränk im Supermarkt, das eher an ältere Kinder beworben wird, ist der Energy Drink „Guava Flavour“ der Lidl-Eigenmarke „Kong Strong“ – er enthält 15,6 Gramm Zucker auf 100 Milliliter. Mit nur einer Dose nimmt ein Teenager 78 Gramm Zucker zu sich, das entspricht 26 Zuckerwürfeln und ist mehr als dreimal soviel, wie Kinder und Jugendliche maximal am Tag zu sich nehmen sollten.
- Die bei Kindern beliebten Trinkpäckchen sind besonders stark gesüßt — sie enthalten im Durchschnitt ganze 8,6 Prozent Zucker.
- Nur vier der 136 getesteten Produkte (drei Mineralwasser und ein Nektar) würden einen grünen Nutri-Score (A oder B) erhalten. Knapp ein Viertel (23 Prozent) würden mit einem gelben C gekennzeichnet (meist reine Säfte, Schorlen sowie süßstoffgesüßte Getränke).
- Der Großteil der Kindergetränke, knapp drei Viertel (74 Prozent), erhielte einen orangenen oder roten Nutri-Score (D oder E).
- Säfte sind auch keine gesunden Durstlöscher: Unter den zuckrigsten Getränken mit einem Zuckergehalt von über acht Gramm je 100 Milliliter finden sich auch viele reine Fruchtsäfte.
- Lediglich drei der 136 Kindergetränke enthielten weder Zucker noch Süßstoffe.
Süßgetränke bilden eine Hauptquelle für den Zuckerkonsum von Minderjährigen. Mit nur einem 250-Milliliter-Glas eines durchschnittlich gesüßten Getränks nimmt ein Kind bereits knapp 20 Gramm Zucker und somit vier Fünftel der vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte maximal empfohlenen Tagesmenge an Zucker zu sich. Laut Weltgesundheitsorganisation gelten zuckrige Getränke als wesentliche Treiber für Adipositas und damit verbundene Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
„Bei der Prävention ernährungsbedingter Krankheiten versagt die deutsche Ernährungs- und Gesundheitspolitik auf ganzer Linie. Das Motto ist offenbar: Konzernprofit vor Kinderschutz”, kritisierte Luise Molling. Statt mit einer Limo-Steuer, umfassenden Werbeschranken und einer gesetzlichen Altersgrenze für den Verkauf von Energydrinks eine gesunde Kinderernährung zu fördern, setze man vor allem auf freiwillige Maßnahmen der Industrie. Eine Studie der TU München belegte erst kürzlich, dass die Getränkeindustrie ihren ohnehin wenig ambitionierten Zielen bei der Zuckerreduktion meilenweit hinterherhinkt. Zwischen 2015 und 2021 reduzierte sich der durchschnittliche Zuckergehalt in Erfrischungsgetränken lediglich um zwei Prozent, während in Großbritannien im gleichen Zeitraum durch die Limo-Steuer eine Reduktion um 29 Prozent erfolgt ist. Laut einer aktuellen Studie der Universität Cambridge sank damit auch der Zuckerkonsum bei Kindern und Erwachsenen.
Quellen und weiterführende Informationen:
- foodwatch-Marktstudie Kindergetränke
- Fotostrecke inkl. Grafiken zum Download
- Bewegtbilder der getesteten Produkte
- Studie der Universität Cambridge zum Rückgang des Zuckerkonsums infolge der UK-Limosteuer
- Studie der TU/LMU München und DANK-Allianz zum Zuckergehalt in Softdrinks: “Reduktionprogramm der Bundesregierung unzureichend”
- Empfehlungen des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zum Zuckerkonsum von Kindern und Jugendlichen
- WHO zu Zuckergetränken