NewsVerbraucher

Heringbestand überfischt

Der Marine Stewardship Council (MSC) warnt: Nach einer aktuellen Analyse wurden die empfohlenen Fangmengen des Herings deutlich überschnitten. Eine Überfischung des atlanto-skandischen Herings steht in naher Zukunft bevor. Und damit wäre einer der größten und wirtschaftlich wichtigen Fischbestände Europas gefährdet. Daher mahnt der Rat für Meeresforschung (ICES), die Fangmengen drastisch zu reduzieren.

Stockfisch auf dem Mercado Central in Valencia – Foto: Denise Cezanne-Güttich – Tutti i sensi

Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) [1], die Wissenschaftsorganisation, die Regierungen in Bezug auf nachhaltige Fangmengen berät, teilte am Freitag mit, dass die atlanto-skandischen Heringsfänge um 44 Prozent, das wären 302.932 Tonnen, gesenkt werden müssen. 

Doch selbst wenn die Fangnationen sich an diese Fangmengenreduzierung halten, wird der atlanto-skandische Hering nach Einschätzung des ICES bis zum Jahr 2025 eine kritische Schwelle unterschreiten, unterhalb derer die langfristige Nachhaltigkeit des Bestands bedroht ist.  

Nach einer aktuellen Analyse des Marine Stewardship Council (MSC), haben die Heringsfänge die vom ICES empfohlenen Mengen in den letzten Jahren regelmäßig signifikant überschritten, aktuell liegen sie um mehr als ein Drittel (36%) über der wissenschaftlichen Empfehlung. Seit 2008 ist die Größe des atlanto-skandischen Herings-Bestands von 7 Millionen Tonnen auf 3,7 Millionen Tonnen geschrumpft. 

Erin Priddle, Nordeuropa-Chefin des MSC: “Angesichts dieser Entwicklung und der alarmierenden jüngsten Prognose sollte jedem klar sein, dass Bestände vom Zusammenbruch bedroht sind, wenn sie Jahr für Jahr überfischt werden. Wir brauchen nur auf die jüngere Geschichte zurückzublicken, als Überfischung und Missmanagement in den 1960er Jahren zum Zusammenbruch des atlanto-skandischen Herings geführt haben, und infolge zu einer fünfjährigen Aussetzung sämtlicher Fischereiaktivitäten, damit der Bestand sich wieder erholen konnte. Viele Fischereien und Verarbeitungsbetriebe mussten in dieser Zeit Konkurs anmelden, Tausende von Arbeitsplätzen gingen verloren. Es steht viel auf dem Spiel.”


Politik nun entschiedener gefordert denn je

Der Kern der besorgniserregenden Entwicklung beim atlanto-skandischen Hering ist die Unfähigkeit der Fischereinationen, sich auf eine Fangquotenaufteilung zu einigen, die den wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht.Hering, aber auch Makrele und blauer Wittling, werden seit Jahren überfischt, weil jedes Land seine eigenen Quoten festlegt – was in Summe zu Fangmengen führt, die weit über der wissenschaftlichen Empfehlung liegen.

Der MSC appelliert an die Regierungen der Fischereinationen im Nordostatlantik, sich daher schnellstmöglich auf eine nachhaltige Quotenaufteilung zu einigen. Die bevorstehende Tagung der Küstenstaaten im Oktober 2023 bietet dafür Gelegenheit. 

Erin Priddle: “Die beteiligten Regierungen müssen die jüngsten wissenschaftlichen Daten als dringende Warnung verstehen, sich endlich auf gemeinsame Fangquoten zu einigen und ihre Fangmengen innerhalb nachhaltiger Grenzen zu halten! Andernfalls steuern sie sehenden Auges in eine beängstigende Situation. Atlanto-skandischer Hering, Makrele und Blauer Wittling gehören zu den größten Fischpopulationen Europas und werden von einigen der reichsten Nationen der Welt befischt. Es wäre ein Armutszeugnis für die beteiligten Regierungen,  wenn es ihnen nicht gelänge, sich auf eine nachhaltige Bewirtschaftung zu einigen.“ 

Die Analyse der ICES-Daten durch den MSC zeigt, dass allein in den letzten sechs Jahren die Gesamtfänge von atlanto-skandischem Hering, Makrele und blauem Wittling die empfohlene Fangmenge um fast ein Drittel überschritten haben. Dies sind knapp 4,5 Millionen Tonnen Fisch, die, wenn die wissenschaftlichen Empfehlungen befolgt worden wären, im Meer hätten bleiben müssen!    


Weniger Nachhaltigkeit auch für Verbraucher in Deutschland

Das anhaltende Unvermögen der Fangnationen, sich auf nachhaltige Quoten zu einigen, sowie die damit verbundene Suspendierung der MSC-Zertifikate aller Fischereien auf atlanto-skandischen Hering, Makrele und Blauen Wittling, haben auch dazu geführt, dass Verbraucher und Verbraucherinnen nun deutlich weniger nachhaltige Produkte im Markt finden. Im deutschen Einzelhandel kamen 2022 nur noch gut die Hälfte (53%) aller Herings- und Makrelenprodukte aus MSC-zertifizierter Fischerei und aus Beständen, die nicht überfischt werden [3]. Das entspricht einem Rückgang der Nachhaltigkeit um mehr als ein Drittel im Vergleich zum Jahr 2020 (83% MSC-Anteil). Für 2023 wird erwartet, dass der Anteil nachhaltiger Herings- und Makrelenprodukte noch weiter sinkt.   

Eine Lösung der Probleme wäre durchaus möglich. Ein kürzlich veröffentlichter MSC-Bericht mit dem Titel Fischerei im Nordostatlantik – Herausforderungen für das Management von gebietsübergreifenden Fischbeständen beschreibt verschiedene Instrumentarien und Taktiken, die dabei helfen, Lösungen für das länderübergreifenden Management der nordostatlantischen Fischbestände zu finden. Solche Taktiken der Quotenzuteilung und Entscheidungsfindung werden bereits in anderen Teilen der Welt erfolgreich angewandt. Sie haben es beispielsweise den Ländern, die den Makrelen Bestand im südamerikanischen Pazifik gemeinsam befischen, ermöglicht, sich auf eine nachhaltige Fangquotenverteilung zu einigen. Dass politisches Versagen im Nordostatlantiks eine dauerhaften Lösung verhindert, ist nicht hinnehmbar.

 Anmerkungen und Quellen:

[1] ICES Advice Hering (Clupea harengus) 2023       

[2] IRI Infoscan 2022; nach Produktgewicht; Kühlung und Konserve 

Über den MSC

Der Marine Stewardship Council (MSC) ist eine internationale gemeinnützige Organisation, die sich weltweit für den Erhalt der Fischbestände einsetzt. Mit seinem Zertifizierungsprogramm ermöglicht der MSC den Schutz und die nachhaltige Nutzung der wertvollen Ressource Fisch. 

Der MSC ist weltweit anerkannt als das strengste Programm zur Zertifizierung nachhaltiger Fischerei. Alle anerkannten Institutionen, die im Labelbereich Orientierung liefern und Regeln für glaubwürdige Siegel entwickelt haben, bestätigen die Glaubwürdigkeit und die Effektivität des MSC. 

Die Anforderungen, die Fischereien für eine MSC-Zertifizierung erfüllen müssen, wurden von über 200 Experten weltweit entwickelt und entsprechen einem breiten wissenschaftlichen Konsens darüber, was nachhaltige Fischerei beinhalten muss.

Weitere Informationen finden Sie hier: www.msc.org/de

Pressekontakt:

Täglich Frisch: Online-Magazin Tutti i sensi
Täglich Frisch: Online-Magazin Tutti i sensi

Abonnieren Sie den unseren Newsletter

So erhalten Sie einmal wöchentlich eine Zusammenfassung aller Artikel.

Hiermit gebe ich mein Einverständnis, dass Cézanne Publishing/www.tuttiisensi.de mir regelmäßig Newsletter zusendet. *

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung

.